Czoczo.de sollte ein Fotoblog sein, und es ist ein Fotoblog. Obwohl hin und wieder versuche ich meine Bilder mit Geschichten & Geschichte zu „schmücken“ – Nicht immer selbst geschrieben. Sehr oft habe ich die Texte nach langem Recherchieren irgendwo im Netz gefunden, trotz dem Bleiben Sie konform mit eigenem Meinung und empfinden.
Den Ehrenmal selbst habe ich schon vor kurzen vorgestellt. heute will ich aber ein wenig Tiefer bohren, und mit euch am Beispiel von Annaberg die schwere Schlesiens Geschichte zu entdecken.
Nach dem Ersten Weltkrieg sollten nach dem Versailler Vertrag Teile des Grenzverlaufs zwischen neu gegründeten Polen und Deutschland über Volksabstimmungen geregelt werden. Diese fand am 20. März 1921 statt. Es stimmten 59,6% (707.554) der befragten Oberschlesier für einen Verbleib beim Deutschen Reich, für einen Anschluss an Polen votieren 40,4% (478.820). In 597 Gemeinden gab es eine polnische Mehrheit, vor allem im Osten und Südosten Oberschlesiens und eine deutsche in 664 Gemeinden. In dem Wahlkreis „Gross Strehlitz“ in welchem der später stark umkämpfte Annaberg liegt, stimmte eine knappe Mehrheit der Wahlberechtigten für einen Anschluss an Polen. Damit wäre Oberschlesien wie ein „Fleckerlteppich“ aufzuteilen gewesen. Polnische Freischärler riefen daraufhin am 02.Mai 1921 den dritten polnischen Aufstand aus. Der erste (16.08.1919) und der zweite polnische Aufstand (20.08.1920), ebenfalls mit dem Ziel Oberschlesien an Polen anzuschließen, wurden von deutschen Polizeieinheiten sowie Freikorps niedergeschlagen. Im Rahmen dieses dritten Aufstandes besetzen polnische Freischärler u.a. den strategisch wichtigen Annaberg.
Die Reichsregierung entschied sich, die Vorgaben des Versailler Vertrages einzuhalten, und nicht die Reichswehr einzusetzen. Es gründete sich jedoch der „Selbstschutz Oberschlesien“ (S.S.O.S.), eine bewaffnete Vereinigung deutscher Oberschlesier. Unterstützung bekam der S.S.O.S. von illegalen Freikorpsverbänden, wie den Freikorps Oberland. In Zügen machten sich die Kämpfer des Freikorps Oberland, samt Waffen auf den weg.
Die erste und erfolgreichste Unternehmung des Freikorps bei den Abstimmungskämpfen blieb die Erstürmung des Annaberges. Beim St. Annaberg (poln.= Góra Świętej Anny) handelt es sich um die größte Erhebung im südlichen Teil Oberschlesiens. Damals wie heute waren seine barocke Wallfahrtskirche, die 40 Kalvarienkapellen und das Franziskanerkloster aus dem 18. Jahrhundert ein bedeutsamer Pilgerort für die Katholiken in der Region.
Der Sturm der Oberländer auf den Annaberg erfolgte in der Nacht vom 20. auf den 21. Mai 1921. Die Kämpfe dauerten bis zur Mittagszeit an. Um 12:40 Uhr wurde als Zeichen des Sieges die Schwarz-Weiss-Rote Fahne der Kaiserzeit auf dem Klosterturm des Annaberges gehisst und nicht etwa die Schwarz-Rot-Goldene der Weimarer Republik.
Am 20. Oktober 1921 wurde schließlich die Teilung Oberschlesiens beschlossen. Das Industriegebiet um Kattowitz fiel an Polen. Der stärker agrarisch geprägte Rest verblieb im Reich. In Deutschland herrschte allgemeine Empörung angesichts des Dekrets. Vergessen war, dass die Alliierten ursprünglich bei den Friedensverhandlungen ganz Oberschlesien an Polen hatten abtreten wollen. Im „Versailler Vertrag“ war schließlich zu dem auch die Möglichkeit einer Teilung der Provinz ausdrücklich vorgesehen gewesen.
Der Konflikt um die Abstimmung hatte im Bewusstsein der deutschen wie der polnischen Öffentlichkeit einen herausragenden Platz eingenommen. Die intensive Abstimmungspropaganda und die Anwerbung aktiver Teilnehmer an den Kampfverbänden aus ganz Deutschland hatten einen lokalen Grenzkonflikt ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung zweier Länder gerückt. Der Einsatz der Freiwilligen erfuhr in der deutschen Gesellschaft eine breite Unterstützung. Wahrscheinlich deshalb wurde bereits früh und sehr erfolgreich mit der Instrumentalisierung der Kämpfe begonnen. Von Anfang an wurden sie in der deutschen Historiographie und Memoirenliteratur führender Teilnehmer als Beweis für das Deutschtum in der Region verklärt.
In der NS-Legendenbildung wurde die Eroberung des Annaberges als Rettung eines deutschen Oberschlesiens und seiner deutschen Bewohner verklärt. So waren nicht etwa die verhasste Weimarer Reichsregierung und die von ihr geführten Verhandlungen dafür verantwortlich, dass Teile Oberschlesiens Deutschland zufielen, sondern allein die militärischen Eins ätze der Freiwilligeneinheiten. Die Annabergschlacht bot den Stoff für eine zweite „Dolchstoßlegende“, in der ein erneutes Mal die demokratischen Parteien als „Verräter“ hingestellt wurden. Denn: ohne den von der Reichsregierung angeordneten Truppenrückzugs wäre ganz Oberschlesien dank der Freiheitskämpfer in deutscher Hand verblieben. Der „Heilige Annaberg“ wurde somit zu einem Symbol nationaler Stärke gegen die Polen wie auch gegen die Republik. So wurden auch die dabei Gefallenen zu den ersten Kämpfern der NS-Bewegung verklärt. Den Helden des ewigen „Volkstumkampfes“ mit dem Osten wurde in der NS-Zeit eine besondere Ehre zuteil. Der Bau eines „Reichsehrenmals für die Freikorpskämpfer“ und einer Thingstätte auf dem Annaberg wurde 1938 fertiggestellt und versinnbildlichte die nationalsozialistische Deutung der Ereignisse auf monumentale Weise. Damit sollte der Annaberg von einem katholischen zu einem nationalen Wallfahrtsort für die ersten Opfer der Nationalen Bewegung werden.
Mit der Grenzziehung entlang der Oder Neiße-Linie infolge der Ereignisse im Zweiten Weltkrieg fiel Oberschlesien, wie Pommern und Ostpreußen an die „Volksrepublik Polen“. 1945 wurde das „Ehrenmal“ von den neuen Machthabern gesprengt. Am Annaberg kam es zu einer erneuten Instrumentalisierung der Geschichte im Sinne der sozialistischen Staatsdoktrin. Ein neues Denkmal wurde errichtet. Darin rückte der Dritte polnische Aufstand in den Vordergrund, der zu einem Kampf der polnischen Arbeiter und Bauern gegen die deutschen Kapitalisten und Grundbesitzer stilisiert wurde. In Polen blieb die Geschichte um das Plebiszit verfahren v.a. bis 1989 ein bedeutsamer Teil der allgemeinen nationalen Erinnerung. Der Sankt Annaberg ist als deutscher Erinnerungsort dagegen mit Ausnahme der Vertriebenenmilieus und spezieller historischer Fachkreise nahezu gänzlich in Vergessenheit geraten. (Quele-Annabergblogsport.de)